Erfahrung zählt
Frühere Forscher der DDR-Akademie als erfolgreiche Unternehmer
Hochtechnologie, moderne Wissenschaft, Aufbruchstimmung in Adlershof: Wer denkt bei solchen Schlagworten nicht automatisch an junge, dynamische Erfolgsmanager. Für altes Eisen, scheint da wenig Platz.
Wir wurden vom Wissenschaftsrat 1990 positiv begutachtet und konnten bis 1996 unter verschiedenen Trägern weiterforschen. Aber dann wurde auch unsere Forschergruppe abgewickelt, erinnert sich die Chemikerin Christine Wedler. Die 52-jährige arbeitete damals am Institut für Angewandte Chemie Berlin-Adlershof e.V. (ACA). “Uns drohte die Arbeitslosigkeit. Also haben wir nach Alternativen gesucht. Es gab eigentlich nur einen Weg …” Sie wagte den Sprung in eine eigene wirtschaftliche Existenz.
Heute führt Christine Wedler die Geschäfte einer Adlershofer Spezialfirma für chemische Forschung. Im Auftrag der pharmazeutischen Industrie suchen ihre 25 Mitarbeiter nach neuen Wirkstoffen für Medikamente. Sie synthetisieren Moleküle, die später vielleicht einmal zum Arzneimittel taugen. “Im Prinzip ist es das, was wir vorher auch schon gemacht haben”, meint sie. “Wir stellen keine Produkte her, sondern wir forschen.” Christine Wedlers Geschäftspartner ist der Chemieprofessor Hans Schick, ihr ehemaliger Chef am Zentralinstitut für Organische Chemie der DDR-Akademie. Beide hielten sich einige Jahre mit EU-geförderten Projekten über Wasser. Im Januar 2001 wagten sie dann den Neuanfang mit einer eigenen Firma. Die ASCA GmbH machte im vergangenen Jahr schon 1,8 Millionen Euro Umsatz, die Planungen für 2003 liegen bei 2,4 Millionen Euro. Die Belegschaft ist eine Mischung aus alten Hasen und jungen Chemikern. “Wir haben hier hervorragende, handverlesene Wissenschaftler des früheren Akadmie- Instituts, die sonst auf der Straße stehen würden”, berichtet Christine Wedler. “Sie sind unsere Leistungsträger.”
Bescheidenheit gehört zum Unternehmenskonzept: Noch sitzt Christine Wedler im alten Institutsgebäude im Adlershofer Wissenschaftspark zwischen alten Regalen aus der DDR. “Ich fahre auch keinen teuren Mercedes, sondern jeden Morgen mit der S-Bahn hier raus”, erzählt sie. “Aber ich bin meine eigene Chefin, und wir können die Gehälter zahlen, sind schuldenfrei und niemand ist von Arbeitslosigkeit bedroht.” Die erwirtschafteten Gewinne fließen in die Firma zurück, zum Beispiel in technische Investitionen. So konnte sich ASCA unlängst ein Spektrometer für Kernresonanz leisten, etwa 250.000 Euro teuer. “Mit diesem Gerät können wir die gesuchten Moleküle noch genauer analysieren”, sagt sie, “Technisch auf dem neuesten Stand zu sein, ist enorm wichtig. Ein Drittel steuerte das Land Berlin als Zuschuss bei,” Ihr Arbeitstag dauert zwölf Stunden, ins Labor kommt sie kaum noch, “Professor Schick ist für die wissenschaftliche Seite zuständig, ich kümmere mich um die Finanzen, das Personal und die Verträge,” Aber sie vermisst die wissenschaftliche Arbeit nicht mehr: “Für mich ist es wichtig, dass es der Firma gut geht und unsere Geschäfte ordentlich laufen.”